Mittwoch, 3. November 2010

Qualität kommt von innen...ziemlich tief innen!

Gebetsmühlenhaft betonen viele Printmedien derzeit, dass man ja „Qualitätsjournalismus“ fabriziere – so, als wäre es wichtig, das mal ordentlich klarzustellen. Zu allererst: Der Begriff „Qualitätsjournalismus“ ist ein ziemlicher Schwachsinn.

Warum muss ein „Spiegel“, „Stern“ oder die „Süddeutsche“ oder meinetwegen auch jede vernünftige Tageszeitung oder jedes Fachmedium vor sich hertragen, dass er/sie/es „Qualitätsjournalismus“ kann? Das erwartet man schließlich. Dafür kauft man sie. Alles andere wäre merkwürdig. Oder ist man sich dort seiner eigenen Sache gar nicht mehr so sicher?

Journalismus, wenn er authentisch daher kommt und mit kritischer Distanz Hintergründe beleuchtet, ist per se Qualität. Das muss man nicht extra betonen, es sei denn, man will sich lächerlich machen.

Aber das ist nur eine Seite, denn heute haben die Printmedien ein viel gravierenderes Problem: Sie selbst bieten kaum noch die Qualität, zu der sie eigentlich fähig sein müssten. Sie bieten kaum noch Gründe, sie zu kaufen. Sie bieten in breiter Front ein jämmerliches Schauspiel.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich gibt es immer noch viel Gutes zu lesen. Natürlich sitzen in München und in Hamburg und in Berlin, in Trier und Oberammergau gute Journalisten; die haben ja auch nicht alle von heute auf morgen das Handwerk verlernt. Und natürlich werden trotz Anzeigenkrise immer noch gute Magazine gemacht – ok, vielleicht nicht gerade „Business Punk“.

Doch vielen Zeitschriften, Fachtiteln und Tageszeitungen ist etwas Existenzielles abhanden gekommen: Ihr Profil. Und damit ihre Identität, der Boden, auf dem sie stehen. Das ist das eigentliche Qualitätsproblem. Unter „Profil zeigen“ verstehe ich selbstredend nicht, mit einer netten Gruppe auf Facebook herum zu schäkern oder 12 Stunden nach dem Chemielaster-Unfall zum ersten Mal darüber zu twittern.

An Elementarem krankt es bei den Printmedien: Sie trauen sich nichts mehr. Sie führen keine Debatten mehr. Sie lösen nicht mal mehr welche aus. Und schlimmer noch: Sie greifen naheliegende Themen nur alibihaft auf. Wenn sie sie überhaupt erkennen. Der Leser wird es schon nicht merken? Was für eine eklatante Fehleinschätzung! Arroganz trifft Ignoranz!

Nichts gegen die vom Internet verursachten Leserverluste tun können, ist das Eine. Vielleicht nicht wissen, wie man ein Printprodukt und eine Online-Präsenz synergetisch verknüpft – auch noch ok. Aber das eigene Terrain aufzugeben, in der Belanglosigkeit dahin zu suppen, bei Interviews bestenfalls noch den Stichwortgeber statt den gut informierten, unbequemen Rechercheur zu geben – das ist unentschuldbar. Darin liegt das eigentliche Scheitern, nicht in der veränderten Mediennutzung oder dem Umschichten von Kommunikationsinvestments. Gutes Themensetting ist keine Frage des internen Budgets!

Die größte Bedrohung der Printmedien sind die Printmedien selbst.

Was also tun? Wir brauchen wieder Medien, die sich was trauen. Die nicht nur in den Sonntagsausgaben zu großer Form auflaufen. Medien, die mit Lust und Chuzpe an die Sache rangehen und sich nicht von Anzeigenkunden den letzten Rest Rückgrat ausbeinen lassen.

Und wir brauchen wieder mehr echte Autoren. Autoren, die man auch lässt, die das Besondere schreiben dürfen – und damit auch ganz ganz dringend bessere Führungskräfte, souveränere Chefredakteure, Magazinmanager, Blattmacher, die das so wollen und ihre Leute entsprechend anleiten. Keine, die Text um die Anzeigen drapieren lassen. Solche, denen es um die Inhalte geht. Solche, die Themen erkennen. Die die wirtschaftlichen Zwänge nicht als Alibi für die eigene Orientierungslosigkeit missbrauchen. Die noch Journalisten sind.

Den schmalen Grat zwischen Schaffen und Scheitern hat Adolf Theobald, der frühere Capital-Chefredakteur, schon vor etlichen Jahren abgesteckt: „Ein Magazin braucht eine Aussage.“

Also Profil, Profil, Profil – statt immer nur Fakten, Fakten, Fakten. Wenn das Profil stimmt und erkennbar nach draußen dringt, kommen auch wieder mehr Anzeigen. Wahrscheinlich nicht mehr so viele wie früher. Aber vielleicht mehr als ohne Qualität.